Freiburger TelefonZone

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Performatives Gespräch rund um Kunst und Kultur 

Von Montag bis Freitag 11. Mai bis 29. Mai 2020, jeweils zwischen 9.30 bis 10.30 Uhr, wurden FreiburgerInnen eingeladen, ein 10 minütiges Telefongespräch rund um Kunst und Kultur in Freiburg mit Franziska Braegger, Theater R.A.B., zu führen. Sie dürften den Auftakt des Telefondialogs selbst wählen:

  1. 1.     “Die Dadapäpstin spricht”: Franziska Braegger improvisiert in einer ihrer aberwitzigen Rollen zu einem Thema, das der/die Anrufer bestimmen.
  2. 2.     Lesung eines theatral-literarischen Textes
  3. 3.     Gespräch über Freiburg Heute: die Rolle der live Kunst und Kultur. Wünsche, Ideen, Träumen. Was muss unbedingt sein? Was nicht? Was wird vermisst?

Wie auch immer der gewählte Auftakt des Gesprächs war, es wurde danach immer nachgefragt, wie die Anrufenden zu live Kunst und Kultur stehen, generell und in diesen Zeiten von “Corona”. 

Franziska Braegger berichtet:

I. Die Dadapäpstin

Es war für mich ein  tolles Experiment und sehr spannend zu sehen was mit meiner  fikitven Figur “der Dadapäpstin” über ein analoges Telefongespräch geschehen konnte, welche Inhalte und Phantasien entstehen können.  Ich war erstaunt, wie leicht im Dialog mit den Anrufenden, surreale Welten kreiert wurden. Sie entstanden im Augenblick und waren niemals geplant… oder absehbar. Wichtig war das genaue Hinhören, denn jeder Gedanke war wertvoll, und gab den Auftakt eines Spiels in die Andere Welt; dort wo die Logik der Phantasie Platz bietet. Im Dialog zwischen der “Dadapäpstin” und dem Anrufenden entstand ein Freiraum, indem neue Zusammenhänge mit anderen Realitäten sein durften. Die Dadapäpstin ist frei von Konventionen und Urteilen. Ein Austausch konnte entstehen über den ich als Spielerin zusammen mit dem Anrufenden staunten. Hier ein paar Gedanken:

  • In einem Gespräch entstand: „…eine Welt aus Einhörnern” das wäre toll – Ein Einhorn ist ein Horn und ein Ein – es gibt so viele Hörner ohne Ein – schade!”
  • Ein anderes Gespräch : „Das Paradies ! Es beginnt mit P genau da wo das Kopfkissen auch ist! Ich lege meinen Kopf darauf und genau dann beginnt das Paradies. Immer. Wie einfach!”
  •  „P – das ist ein Explosivlaut, der geht in die Welt. ‘Aradies’ – das sind die Papageien die um den Kopf schwirren – federleicht und bunt.”
  •  Ein anderes Gespräch: “Freundschaft – das ist mir wichtig aber es bedeutet,  Freunde schaffen, und das heisst aktiv sein schaffen schaffen schaffen, ich bin oft zu müde dafür. Besser: ein Maulwurf zum Freund haben – werfen – ist besser als schaffen werfen und da ist er, zuverlässig in meinem Garten!”
  • Und: “Schreibt Rechnungen, Bilanzen, rettet die Welt, mit viel Schmackes drangehen, dicken Stiften und Leidenschaft, bunten Blumen und Schnörkeln, so dass es so richtig Spass macht, nicht immer den gleichen Rahmen, der abturnt, der leidenschaftslos vor sich hin gammelt!”
  • Diese Frage tauchte auf: „Wie sah das Telefon vor 15 Jahren aus? Ich kann mich nicht mehr erinnern…”
  •  In einem anderen Gespräch: „Andersrum und geradeaus, die Perspektive wechseln. Gleich leite ich eine Sitzung : Ich fange heute mit “MIAU” an.”
  • Oder: „Was ist der Papst ? Ist der Papst idyllisch?”
  • Und ein letztes Beispiel: “…ich schaue aus dem Fenster in den Innenhof, viel ist da nicht, manchmal eine Maus und Autos, ein Fahrrad und Mülltonnen. Jetzt warte ich, bis etwas Geschupptes vorbeikommt, oder ich setze es selbst rein. Etwas Geschupptes muss es sein…”

Vieles war so komplex das ich es nicht mehr aufdröseln kann. Es war immer ein Höhenflug, ein Rasen gemeinsam durch die wildesten Gedanken, im Dialog entstehend nur durch den Hörer miteinander verbunden. Was sehr geschätzt wurde war die willkommene Verführung in die andere Logik, die kurze Auszeit, ein Ausflug Spass und Leichtigkeit – und andere Wahrheiten…

II. Gedanken zu live Kunst und Kultur, die im Dialog mit den Zuhörenden entstanden sind.

  • Live Kunst bedeutet: beteiligt sein am Geschehen
  • Live Kunst bedeutet: ausgehen, in Kommunikation treten
  • “Die digitale Nabelschnur ist heute nicht mehr wegzudenken. Daran hängen Viele. Was bedeutet das wirklich? Digitale Nabelschnur… da dran hängt die Existenz und jetzt, in Coronazeiten, ist es Das was übrig bleibt . Wenn diese Schnur kaputt geht, ist es rasch existentiell bedrohend.
  • “Live Kunst vermisse ich so sehr! Es ist eine Art der Interaktion.
  • Das Nicht-Digitale ist wichtig: in live Aufführungen werden Emotionen – meine Emotionen – gespiegelt.
  • Live Kunst hat etwas Entschleunigendes
  • Live Kunst ist das Erleben, im Austausch mit den Andern sein -
  • Ich vermisse das Danach, das Gespräch mit den Anderen, das darüber sprechen.
  • Zoom etc. sind Notlösungen, ich bekomme keine wirkliche Reaktion es resoniert nicht.
  • Live Kunst bedeutet eine persönliche Begegnung mit den Künstlern. Die Kunst lebt von der persönlichen Begegnung. Selbst wenn ich nicht persönlich mit den Künstlern spreche, ist es persönlich…
  • Ich vermisse meine Bühne!
  • Ich denke an die vielen Menschen die live Kunst machen und nichts geht!
  • Ich bin bezaubert von live Kunst! Ich denke an ein klassisches Konzert in einem tollen Raum ich kann Musik zugleich sehen und hören!
  • Live Kunst ist, in eine Welt einzusteigen. Eine Welt entsteht vor meinen Sinnen, es wird im Augenblick kreiert.
  • Was jetzt in diesen Coronazeiten nicht geht:
  • entspannt sein mit mehrern Leuten, auch körperlich
  • kreativ sein mit vielen Leuten , zusammen sein!
  • Systemrelevant  -  die Kunst? Nein – Live Kunst dreht das System um! Live Kunst spielt damit! Kunst muss frei sein!
  • Live Kunst und Kultur bedeutet Kontakt und Begegnung, ist von dem her absolut existentiell!
  • …sich überraschen lassen von einer Performance, deswegen gehe ich hin um Überraschung zu erleben, nicht das was ich schon kenne.
  • …in live Kunst entsteht oft eine wunderbare Überforderung beim Zuschauenden, dadurch entstehen neue Verknüpfungen. Das ist worum es geht.
  • In live Kunst leere Phase haben – denn was ist diese Leere? Ich weiss nur, ich habe enormen Durst danach.
  • Ohne Live Kunst hätte ich niemals den Zugang zu Neuer Musik gefunden.
  • Ins Kino, da gehe ich gerne auch allein hin. Live Kunst, da gehe ich mit Anderen hin, da will ich ein Miteinander erleben, am liebsten in einer grossen Menge von Zuschauenden baden!
  • Streaming ist nur ein Behelf um Sachen nicht zu vergessen, ansonsten transportiert sich leider nichts.
  • Ich vermisse den direkten Kontakt. Die Publikumsenergie, das vermisse ich.
  • Ich habe der live Lesung hier am Telefon zugehört. Ich war in einer andern Welt – dabei sitze ich in meiner Wohnung und halte den Telefonhörer in der Hand! Ich war total woanders. Das ist live Kunst: das Atmen, der Moment der eben entsteht, neu im Jetzt – und dabei das Risiko, wie der Moment wird.
  • Ohne live Kunst lebe ich auch, klar ich lebe rational, ich starre in ein Gerät und erahne eine andere Welt. Ich lasse mich aber ablenken, tue dies und das gleichzeitig und schaue ab und zu auf eine kleinen Bildschirm. Es ist nicht und niemals dasselbe wie live Kunst.
  • Leider funktionieren die meisten Theaterstücke im Fernsehen nicht. Mutter Courage aus Berlin war scheußlich – lieber gehe ich ins Autokino.
  • In der live Kunst sind keine Pixel die immer die gleichen Farben einnehmen.
  • Ein Konzert online? Anderthalb Stunden halte ich nicht aus, immer das zu sehen was die Kamera will.
  • Um Live Kunst zu erleben gehe ich unter Menschen. Ich vermisse es, unter vielen Menschen zu sein – die Atmosphäre, der Zufall, das gemeinsame fiebern: wie wird die Aufführung?
  • Der Zufall macht das Leben spannend – wen treffe ich? Der Zufall hält dich am Leben, das Unerwartete zählt. Digital ist nie Zufall
  • Live Kunst, live Theater: es kann die Stille nutzen, das ist nur live machbar.
  • Live Kunst: der kleine Kreis ist genauso wichtig wie ein grosses Event.
  • Die live Kunst am Telefon hat mir bewusst gemacht, wie das Hören eine enorme assoziative Kraft hat.
  • Ohne Live Kunst fehlt der Platz der Begegnung. Bei live Kunst ist man mitten unter den Zuschauern und bekommt Denkanstösse von Aussen, man spricht über das Erlebte. Es ist ein Energieaustausch.
  • Bei Live Kunst kommt es zum Austausch. Austausch ist Konfrontation. Das Aussen fordert einen Abgleich. Wo bin ich? Wo die anderen?
  • Live Kunst = live Begegnung. Die Intimität eines Blickes ist manchmal fast gefährlich, ist unberechenbar, da er lebendig ist.

Fazit: Live Kunst ist nicht und durch nichts ersetzbar!

Freiburg, den 10. Juni 2020

 

Das Projekt ist gefördert durch das Kulturamt Freiburg aus dem Fond des Stadtjubiläums 2020.

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Über die Dadapäpstin

Es ist doch ganz einfach: die Dadapäpstin will die Welt auf ihre Art segnen, sieht aber allerlei Missstände, die Seligkeit oftmals verhindert. Ist die Bratwurst, zum Beispiel, ein Hindernis oder ein Hilfsmittel auf dem Weg zur Glückseligkeit? Darin liegt eine große Herausforderung…

Ähnlich wie in der traditionellen italienischen Theaterform Commedia dell’Arte, entwickelt der/die Schauspieler*in mit der Halbmaske eine distinktive Persönlichkeit. Ausgehend  von den übertriebenen Gesichtszügen der Maske, hat diese fiktive Person eine sowohl körperliche als auch geistig/emotionale Haltung aus der die Schauspielenden durch viel Übung mit der  Zeit instinktiv agieren und improvisieren können. Die Zuschauer erwarten ebenfalls von diesen Figuren Aussergewöhnliches, die Gesichter deuten nichts anders an.

Wir trainieren so, dass mit der Zeit das bloße Aufsetzen der Maske eine Persönlichkeit entzündet, die alle Handlungen aus dieser markanten Haltung durchführen kann. Ebenfalls  ist jeder Dialog von dieser  Haltung geprägt. Man muß sich daran erinnern, das “Persona” aus dem lateinischen kommt  und “Schauspielermaske”  bedeutet.

Franziska Braegger hat die Dadapäpstin für die Inszenierung “BUNT ist meine Lieblingsfarbe” in Anlehnung an die Dadafigur von Hugo Ball, mit denen er an wilden Cabaret Voltaire Abenden auftrat, entwickelt.