In dieser R.A.B.- eigenen Erzählung der Sage wird das Aufeinanderprallen von Meerwesen und Landwesen, von Zuneigung und Missverständnis und von Fremdsein und Anpassung unterstrichen durch einen “Tanz der Sprachen”: Das dramatische Geschehen wird mit Maskenspiel, Tanz, projizierter Schriftsprache, Gebärdensprache, sowie deutscher und englischer Lautsprache gestaltet. Diese werden miteinander verwoben, so dass Hörende und Gehörlose das gleiche Erlebnis erfahren.
Die Seehundfrau kommt aus dem Meer. Ihre Sprache ist die Gebärdensprache. Der Fischer drückt sich in der Lautsprache aus. In der Kommunikation miteinander müssen beide alles aufbringen um sich zu verständigen. Trotz aller Bemühungen bleiben sie einander fremd: ihre Tochter wächst zweisprachig auf, ohne von der Herkunft der Mutter zu wissen.
Ein Tanz der Sprachen ist auch zu erleben in der Art und Weise, wie die Inszenierung die karge Küstenlandschaft und die mystische Atmosphäre hervorruft. So wie ein lautsprechender Schauspieler die Stimme vielfältig einsetzt, so setzen sich auf der Bühne die Gebärden der gebärdensprechenden Schauspieler vielfältig in Bewegung fort. Poetische Momente entstehen, die sich von der alltäglichen Grammatik befreien, dem Tanz nähern und einen tieferen Sinn offenbaren.
Die Gebärdensprache der Gehörlosen fasziniert viele hörenden Menschen. Wer genauer hinschaut und sich dafür interessiert, muss sich einer Welt öffnen, die eigene Vorstellungen von Kommunikation und Sprache auf den Kopf stellt. Die Gebärdensprache setzt sich – unter anderem – aus verschiedenen Handformen zusammen, die sowohl an bestimmten Körperstellen ausgeführt werden, als auch mit Bewegungen in den Raum hineingehen. Untrennbar von der ausgeführten Bewegung ist die Mimik, die entscheidend zur Bedeutung der Gebärde dazugehört sowie das sogenannte Mundbild. So entsteht eine Linguistik, die sich im dreidimensionalen Raum definiert und allen Erfordernissen einer vollständigen Sprache entspricht.
Jede Nation hat ihre eigene Gebärdensprache, obwohl es Verwandtschaften untereinander gibt. Gebärdensprache an sich ist universell dem Menschen zugehörig. Ältere Kulturen hatten z.B. ihre Jagdsprache, und fremde Stämme verständigten sich durch gemeinsame Gebärdensprachen. Gehörlose Kinder, allein gelassen, entwickeln ihre eigene Kommunikation untereinander. Und es gibt sogar Studien, die belegen, dass Kinder früher Gebärden verstehen können als Lautsprache.